Exkursion nach London

Zwölf, die auszogen, der Philosophie des EEC Ansatzes an seinem Ursprungsort in England nachzuspüren

Ein Bericht von Katja Saumweber

Um 05 Uhr in der früh ging es in Stuttgart los: die Mitarbeiterinnen des Kinderhauses St. Stefan, die Leiterin Anita Wallner-Dieterich sowie der Pastoralreferent Stefan Pfeifer und Katja Saumweber von der Fachberatung machten sich auf die Reise nach London. Ziel der Reise waren zwei Children Centres im Norden von London, in denen der Philosophie des Early Excellence Ansatzes, den in Stuttgart inzwischen 6 Kindertagesstätten versuchen in die Praxis umzusetzen, nachgespürt werden sollte.


Im Dorothy Gardner Centre…

… wurde die Gruppe von der stellvertretenden Leiterin Nikki voller Herzlichkeit im Personalzimmer des Hauses empfangen, nachdem man im Eingangsbereich bereits von einer „Empfangsdame begrüßt worden war. Niemand läuft hier ins Leere, mit hey my dear, what
an I do for you wird jede und jeder sehr persönlich im Centre willkommen geheißen. Nikki startete mit der Hälfte der Gruppe die Führung durch das Haus, während die andere Gruppe ihre Expedition im Mary Patterson Centre direkt auf der anderen Straßenseite begann.

Im 1. OG entdeckten die Teilnehmerinnen toll ausgestattete Räume für die Betreuung von Kindern in den Zeiten, in denen ihre Eltern Kurse im Haus besuchen, wie z.B. Englischkurse. Der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund ist sehr hoch, viele sprechen kein bzw. kaum Englisch. Im Dorothy Gardner werden alle Eltern herzlich aufgenommen und in und mit ihren Belangen und Bedürfnissen ernst genommen und unterstützt.

Im Erdgeschoss erkundete die Gruppe die Räume der beiden nursary schools für Kinder zwischen 2 und 4,5 Jahre. Ein Tag beginnt im Dorothy erst um „09:15 am und endet bereits wieder um „03:15 pm, weil momentan die aktuelle Elternschaft keinen Bedarf nach längeren Öffnungszeiten hat. Manche der Kinder kommen nur vormittags, manche nur nachmittags und einige den ganzen Tag. Insgesamt sind kaum mehr als jeweils pro Gruppe zwölf Kinder zur gleichen Zeit anwesend. Für eben diese zwölf stehen ein „Teacher sowie zwei „Nursary Nurses zur Verfügung. Darüber hinaus betreut die Einrichtung einige Kinder mit sogenannten special needs wie z.B. Autismus, denen eine 1:1 Betreuung angeboten werden kann. Von einem solchen Schlüssel können wir hier in Deutschland nur träumen!

Das pädagogische Programm orientiert sich an zwei Säulen: dem adult directing und dem adult focussing. Zum einen geben also Erwachsene Anregungen und Themen vor, zum anderen werden die Kinder genau beobachtet, diese Beobachtung wird dokumentiert, ausgewertet und im Team fachlich reflektiert, um passgenaue Anregungen bieten zu können. Dafür treffen sich die Mitarbeiterinnen sehr regelmäßig: jeden Tag gibt es von 09:00 Uhr bis 09:15 Uhr eine Kurzbesprechung über die Interessen und Fähigkeiten von jeweils zwei Kindern, die dann für die kommende Woche in den Fokus genommen werden. Insgesamt kommt alle drei Monate jedes Kind einmal dran. Zwischen 03:00 und 03:15 pm gibt es dann jeden Tag noch mal eine kurze Tagesauswertung. Jeden Donnerstag trifft sich das Team für ca. eine Stunde zu einer großen Teamsitzung, um den Wochenplan für die nächste Woche anhand der Beobachtungen zu entwickeln, meist braucht es am Freitag dann noch mal 45 Minuten, um diesen abzuschließen.

In der „Story Time werden mit den Kindern Geschichten erzählt, die alle auf einer Magnettafel oder mit Hilfe von Stofftieren visualisiert werden. Bilderbücher werden also abfotografiert, die Figuren ausgeschnitten und auf Magnetfolie geklebt, so dass an den Tafeln die Geschichten von den Kindern mitgespielt werden können. Diese Idee versucht der Tatsache Rechnung zu tragen, dass 70 % der Kinder Englisch als Zweitsprache erlernen. Besonders beeindruckend war die weitaus intensivere Zusammenarbeit mit den Eltern:
Das Personal macht regelmäßig Hausbesuche und unterstützt die Eltern in allen Belangen. Gemeinsam werden „Family Books gemacht, Eltern können die sogenannten Book Bags aus der Kitabibliothek kostenlos ausleihen, genauso DVDs und CDs. Wie selbstverständlich gibt es Bücher, Filme und CDs in zahlreichen verschiedenen Sprachen. Eltern können auch einfach da bleiben, wenn sie dies möchten und haben mit all ihren Nöten, Fragen und persönlichen Problemlagen im Personal des Dorothy Gardner Centre einen zuverlässigen Ansprechpartner.

In einem 2. Gebäude wenige Minuten zu Fuß entfernt befindet sich das Drop in Centre in dem Eltern – meist sehr junge Mütter – zusammen mit ihren Kindern zum Spielen kommen und dabei von professionellen Mitarbeiterinnen begleitet werden. In diesem freien Angebot können bis zu 25 Kinder Platz finden. Es gibt eine Gruppe vormittags und eine nachmittags. In eben diesem Haus arbeiten außerdem die „Social Worker, die Beratung zu verschiedensten Themen anbieten, werden Parenting Courses angeboten
und es gibt sogar einen Job Centre, denn die Arbeitslosigkeit ist in diesem Stadtteil sehr hoch.


Das Mary Patterson Centre…

… war ebenso beeindruckend: Drop In und Nursary School befinden sich im Mary Patterson Centre „unter einem Dach, was den Vorteil bringt, dass die „Teacher der Nursary School schon sehr früh auch Kontakt zu den Eltern und Kindern bekommen, die im 1. OG ins Drop In gehen. Auch hier fällt wieder auf wie sehr begeistert, motiviert und freudig die pädagogischen Fachkräften wirken, die
für ihren Job, für die Kinder aber eben auch die Eltern regelrecht zu brennen scheinen. Im Drop In wird erneut die wertschätzende und verständnsivolle Haltung gegenüber den Eltern deutlich, als die Kollegin mit großem Stolz ein bebildertes Heftchen zeigt, dass auf kurze, knappe und sehr verständliche Art und Weise die Philosophie der Einrichtung beinhaltet. Überhaupt wird sehr viel mit Bildern und Fotos und sehr kurzen Sätzen gearbeitet, damit die vielen Eltern, die oft selbst gerade erst begonnen haben, Englisch zu lernen, trotzdem eine Vorstellung über die Grundsätze und Ideen der Einrichtung bekommen.

Begrüßt wird jedes erstgeborene Kind einer Familie vom sogenannten Outreach Worker, die die Familie zu Hause besucht und sie persönlich ins Drop In einlädt. Dort wird dann zusammen mit den Eltern und einer pädagogischen Fachkraft mit den Kindern gekocht, gespielt, Ausflüge in den Park unternommen, Yoga für Kinder angeboten und Eltern an wertvolle Spielmaterialien aus dem Alltag herangeführt. In den sogenannten Treasure Baskets befinden sich Ketten, Steine, Holz etc. und vor allen Dingen NO PLASTIC wie eindringlich betont wird. Für Eltern gibt es darüber hinaus auch in diesem Haus Englischkurse, Erstehilfekurse, Erziehungsberatung etc.

Die meisten Kinder haben nur einen Halbtagsplatz. Erst im letzten Jahr vor der Schule können Kinder auch ganztags bleiben. Beobachtet werden im Mary Patterson die Lerndispositionen der Kinder, auch hier werden jeweils zwei Kinder jeden Tag in 15 Minuten kurz besprochen. Jede Beobachtung wird anhand der Bildungsbereiche analysiert. In den täglichen Kurzbesprechungen wird bezüglich der zwei im Fokus stehenden Kinder auch geprüft, ob die Lernziele, die sich das Team aufgrund der Beobachtungen und der Bildungsbereiche für jedes einzelne Kind gestellt hat, auch erreicht wurden.

Jede Mitarbeiterin hat maximal 6-8 Bezugskinder, jede beobachtet aber jedes Kind und schreibt diese kurzen unsystematischen Beobachtungen auf kleine Klebezettel, die die Bezugserzieherin dann in ihr persönliches Fach bekommt und für die einzelnen Kinder und deren Portfolios dann ganz einfach einkleben kann. Einmal pro Woche wird ein Plan für die nächste Woche entwickelt, der auf die Beobachtungen eingeht. Dabei gibt es jeden Tag jeweils ein Angebot sowie Freispiel. Es gibt zwei Teams: die eine Hälfte ist immer draußen, die andere drinnen, denn die Kinder nützen den ganzen Tag das Außengelände in gleichem Maß, wie die Räume Innen – und das bei britischem Wetter! Am Ende jeden Tages wird im Team kurz der Tag reflektiert.

Tolle Ideen, die aus England mitgebracht wurden:
• Garderobe: Fotos mit Klettverschluss, die die Kinder abnehmen und dann an die Tür, den Raum, kleben können, für den sie sich entscheiden
• Tafel zum Aufräumen: Fotos der verschiedenen Bereiche, die aufgeräumt werden müssen, sind auf der Tafel, Kinder können ihr Foto wieder dem Bereich zuordnen, den sie dann aufräumen.
• im Eingangsbereich hängen große Plakate aus den Familien mit einem Foto und einem Wunsch der Eltern für ihr Kind
• zum „Homevisit wird ein DIN A 4 Blatt mitgenommen, auf dem Fotos aller Mitarbeiterinnen sind
• auch hier beim „Storyboard die Idee mit den Fotos auf Metallfolie plus Fotos der Kinder, so dass diese sich selbst in die Geschichten mit einbauen können
• Waldschule: mit einer festen Gruppe geht es über einen Zeitraum von 9 Wochen einmal pro Woche in den Wald (das Konzept kommt aus Norwegen und Schweden).


Zusammenfassung:

Beide Häuser haben vor allem durch das sehr engagierte und hoch motivierte Personal überzeugt, die voller Begeisterung und einem sehr hohen Maß an Identifizierung mit der Einrichtung von ihrer Arbeit berichteten. Deutlich zu erkennen und zu spüren war die Philosophie des EEC Ansatzes vor allen Dingen in der offenen und positiven Haltung gegenüber den Eltern. Verschiedene Kulturen, unterschiedliche Herkunft und Sprache sowie deren Wertschätzung und Achtung sind eine Selbstverständlichkeit. Deshalb wird auch darauf geachtet, dass sich diese bunte Vielfalt innerhalb der Elternschaft auch innerhalb des Personals wiederfindet. Erzieherinnen mit Kopftuch sind deshalb ebenso selbstverständlich wie die Kollegin aus Österreich, die als ungelernte Hilfskraft nach ihrem AuPair in England zum Geldverdienen im Mary Patterson angefangen und inzwischen durch die