Einige Absolventen der Fortbildungsveranstaltung des Early Excellence Vereins Jahrgang 2007 haben die Reise initiiert und organisiert. Neben dem Pen Green Centre in Corby – dort fand auch ein Gespräch mit Margy Whalley statt – wurden sieben weitere Einrichtungen in Wolverhampton besucht, eine Stadt in den West Midlands im Nordwesten von Birmingham. Wir danken Margaret Köhne für die hervorragende Organisation und Kerstin Heidbrock, die Margaret bei der Vorbereitung unterstützt hat.
Poltitische Rahmenbedingungen
In Großbritannien entstand vor rund 20 Jahren die Idee, Zentren für eine kindgerechtere und effektivere frühkindliche Bildung einzurichten. Dieses Modell, wurde zuerst 1983 im Pen Green Centre for Under 5´s & their Families in Corby realisiert. 1997 rief die englische Regierung das „Early Excellence Centre-Programm ins Leben. Hintergrund war eine der höchsten Raten von Kinderarmut in Europa: 1/3 aller Kinder lebten 1997 in Großbritannien in Armut. Im Dezember 1999 nahmen 29 ausgewählte Zentren ihre Arbeit auf. Die EEC’s können als Modellprojekte gesehen werden, in denen neue Formen frühkindlicher Bildung erprobt wurden. Die Zielsetzungen und Ergebnisse sind in das von der Regierung im Jahr 2000 gestartete Sure Start Programm und das im Jahr 2004 lancierte Children’s Centre Programm eingeflossen. Die besuchten Zentren haben unterschiedliche Bezeichnungen beibehalten. Eine Einrichtung nannte sich noch Early Excellence Centre.
Der britischen Regierung ging es vor allem darum, die Zentren in sozialen Brennpunkten aufzubauen. Auch heute noch wird anhand von statistischen Erhebungen geprüft, wohin die Mittel für den Aufbau von Zentren fließen. Voraussetzung ist, dass sozial benachteiligte Familien im Einzugsbereich mindestens einen Anteil von 20 % ausmachen. Mittlerweile erheben auch Mittelstandsfamilien den Anspruch, dass Children’s Centres für sie zur Verfügung stehen.
Das Bildungssystem
Das System der Kinderbetreuung in England ist sehr vielfältig. Neben staatlichen und kommunalen Einrichtungen gibt es auch eine Vielzahl privater Angebote der Kinderbetreuung.
In England beginnt die Schulpflicht mit fünf Jahren. Seit 2004 haben alle Drei- bis Fünfjährigen Anspruch auf einen kostenlosen Teilzeitplatz (2 bis 2,5 Stunden täglich an fünf Tagen die Woche). Weitere Betreuungszeiten müssen bezahlt werden. Mit vier Jahren kommen die Kinder in eine Art Vorschule (Reception). Eine Altersmischung der Kinder findet in der Regel nicht statt (anders in Pen Green).
Der Education Act aus dem Jahr 2002 und zusätzlich aufgelegte Programme (z. B. Every Child Matters) verpflichten alle staatlich geförderten Einrichtungen, das Early Years Foundation Stage Curriculum, das auf die Förderung spezifischer Kompetenzen zielt, umzusetzen. Es ist bisher nur für Drei- bis Fünfjährige formalisiert, soll ab Oktober 2008 aber auch für die Betreuung von Kindern ab Geburt gelten. Die Zentren haben diese Vorgaben ebenfalls einzuhalten.
Die Professionalität der Zentren ist auch ein Stück weit dadurch bedingt, dass diese regelmäßig von Supervisoren geprüft werden. Wenn die vorgegebenen Standards nicht erreicht werden, droht ihnen die Schließung. Standards spielen eine große Rolle. Die Supervision wird aber von allen Zentren als zu bürokratisch und teilweise innovationshemmend betrachtet.
Im System fällt die große Diskrepanz zwischen frühkindlicher und schulischer Pädagogik auf. Die Mitarbeiterinnen der Zentren haben darauf hingewiesen, dass es für die Kinder nahezu ein Kulturschock sei, wenn Sie eingeschult werden. Margy Whalley wies in diesem Zusammenhang auf die Studie von Unicef aus dem Jahr 2007 hin, in der die Situation von unter 15-jährigen in 21 Industrienationen hinsichtlich Armut, familiärer Beziehungen und Gesundheit bewertet wird. Am glücklichsten sind danach holländische Kinder, gefolgt von Schweden, Dänemark und Finnland. Deutschland belegt Platz elf. Erst auf dem letzten Platz von 21 Ländern direkt hinter den USA ist Großbritannien gelistet. Derzeit wird in England daran gearbeitet, den Übergang vom Kindergarten zur Schule fließender zu gestalten. Zwei solcher offenen Modelle wurden uns in Wolferhampton gezeigt.
Ausbildung des pädagogischen Fachpersonals
Das Fachpersonal ist besser als in Deutschland qualifiziert. Bis dato waren in den Kindergärten insbesondere Graduate Teacher mit Hochschulabschluss (BA) und nursery nurses beschäftigt, die in der Regel einen Collegeabschluss haben (further education college). In den Zentren arbeiten mittlerweile viele Eltern (in Corby sind es 40 %), die vor Ort „in the work place“ einen Abschluss machen (NVQ3/National Vocational Qualification) und zu den Qualified Early Years Practitioners zählen.
Ein neuer BA-Abschluss ist der EYPS (Early years professionals status) für Führungskräfte in den Zentren, die multidisziplinär arbeiten und meist die Vernetzungsarbeit koordinieren. Vor diesem berufsbegleitenden Studium ist eine Berufsausbildung erforderlich. Ziel ist es, dass bis zum Jahr 2010 in jedem Zentrum ein EYP arbeitet.
Die Arbeit in den besuchten Zentren
Das Pen Green Centre in Corby
Corby hat 49.000 Einwohner und ist eine Stadt, die früher von der Stahlindustrie lebte. Als diese im Jahr 1981 zusammenbrach, erhöhte sich die Arbeitslosenquote auf 30 %. In den 90er Jahren erholte sich die Stadt über die Ansiedlung neuer Industrien, aber auch die Unterstützung durch EU Gelder. In Corby leben insbesondere Bevölkerungsgruppen schottischer (19 %) und nordirischer (1,3 %) Herkunft. Ein hoher Anteil der Einwohner ist alkoholsüchtig oder stark übergewichtig. Wie auch in Wolverhampton und in ganz England gibt es eine hohe Rate von „Teenage-Mums“.
Das Pen Green Centre gilt nach wie vor als Ideenschmiede. Anders als in den anderen besuchten Zentren ist hier ein Research Centre integriert, und es besteht die Möglichkeit, dort verschiedene Studiengänge zu absolvieren. In Corby gibt es kaum Freizeitangebote, kein Kino, kein Theater. Neben dem Pen Green Centre wurden kürzlich in der Stadt drei weitere Zentren eingerichtet, die meist auch den Freizeitbedarf der Familien abdecken müssen.
In Pen Green ist trotz der offenen unkomplizierten Arbeit viel formalisiert. Die Besucher füllen Erhebungsbögen aus mit persönlichen Angaben zu ihrer Familiensituation und ihrem Wohnsitz. Diese statistischen Erhebungen hält Margy Whalley für sehr wichtig, um festzustellen, wo die Besucher herkommen, und ob wirklich die sozialen Brennpunkte abgedeckt werden. Außerdem können darüber Erfolge der Arbeit dokumentiert werden. Da Pen Green aus unterschiedlichen Töpfen – insbesondere auch von der EU – Mittel erhält, sind diese Dokumentationen wichtige Nachweise für die Finanzierungsgeber.
Bedingt durch die langjährigen Erfahrungen war die multidisziplinäre Arbeit in Pen Green im Vergleich zu den anderen besuchten Zentren am ausgereiftesten. Auch die räumliche Gestaltung und die Außenspielbereiche sind – trotz ihres teils chaotisch anmutenden ersten Eindrucks für deutsche Besucher – zielführend und vorbildlich.
Die Besuchergruppe hatte drei Stunden Zeit für einen direkten Austausch mit Margy Whalley, die mit ihrer offenen, aber verbindlichen Art die Gruppe sehr beeindruckt hat.
Im Arbeitzimmer von Margy Whalley. Margy Whalley und Michael Leibinger
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Die Children’s Centres in Wolferhampton
In Wolverhampton leben rd. 240.000 Menschen. Die Stadt war bis zum Beginn der siebziger Jahre ein Zentrum der metallverarbeitenden Industrie Großbritanniens. Später siedelten sich hier Maschinenbauunternehmen, Zulieferbetriebe und die Autoindustrie an, die im internationalen Wettbewerb aber nicht bestehen konnten. Heute ist in Wolverhampton hauptsächlich der Dienstleistungssektor vertreten. Die Bevölkerungsstruktur ist sehr divers. 25 % sind Migranten insbesondere aus Indien oder Pakistan (15 %) und aus der Karibik oder Schwarzafrika. Vermehrt ziehen Familien aus Osteuropa zu. In den Zentren werden teilweise 46 unterschiedliche Sprachen gesprochen.
Wolverhampton hat 10 Children’s Centres. Besucht wurden sechs dieser Zentren und eine Vorschule mit angegliederter Schule. Das Besuchsprogramm wurde organisiert durch Kali Lewis, die die Zentren koordiniert und mit Jutta Burdorf-Schulz vom Pestalozzi-Fröbel-Haus den MA „in Intergrated Provision for Children and Families“ in Corby gemacht hat.
Die Children’s Centres in Wolverhampton sind relativ jung. Ein systematischer Aufbau erfolgt seit etwa zwei Jahren. Einige der Zentren wurden neu gebaut. Dabei wurde als Manko gesehen, dass die Praktiker die Architektur nicht oder nur bedingt mitgestalten konnten. Alle Zentren verfügen über einen einladenden Eingangsbereich mit Informationen für die Besucher oder sogar Flatscreens, auf denen Powerpoint-Präsentationen laufen. Jeder Besucher muss sich an einer Rezeption registrieren lassen.
In allen Zentren werden über Beobachtungen die Tätigkeiten und Entwicklungsprozesse der Kinder dokumentiert. Dabei werden den Kindern über die Ausstattung vielfältige Möglichkeiten gegeben, sich selbstgewählt zu beschäftigen. Überall in den Räumen sind Dokumentationen ausgehängt. Die Form der Dokumentation allerdings ist unterschiedlich. Einige Zentren arbeiten mit Laptops, andere handschriftlich, viele nutzen zusätzlic