Freiraum und Abenteuer: für viele Kinder leider Fehlanzeige
„Los, geh raus, spielen!“ – Viele der heute Erwachsenen kennen diesen manchmal etwas harschen Spruch noch, mit dem sie aus dem kuscheligen Elternhaus an die frische Luft geschickt wurden. Ab ging´s auf die Straße oder die Wiese, mal mit Sandalen, mal mit Gummistiefeln, zum Alleine-die-Welt-Entdecken oder mit Gleichaltrigen zusammen etwas Erleben.
Kinder, die sich alleine oder in Gruppen draußen „herumtreiben“, sieht man heute in Deutschland kaum mehr. Stimmt dieser Eindruck wirklich? Belegbare Zahlen gab es bislang nicht – deswegen hat die ZEIT beim Meinungsforschungsinstitut YouGov eine repräsentative Umfrage in Auftrag gegeben, um zu erfahren, wie viel Freiraum Deutschlands Eltern ihren Kindern tatsächlich gewähren.
„Jeden Zweiten beschleicht schon ein mulmiges Gefühl, wenn der Nachwuchs allein vor die Tür tritt. Und jene zwölf Prozent der Eltern, die ihr Kind überhaupt nicht allein rauslassen, rechtfertigten das vor allem mit Angst vor ‚Fremden‘ und vor ‚Gefahren im Straßenverkehr’“, so das Ergebnis einer Befragung, in der im Juli dieses Jahres rund tausend Mütter und Väter von Kindern im Alter zwischen fünf und fünfzehn Jahren Auskunft gaben. Mehr als die Hälfte lässt ihr Kinder unbeaufsichtigt nur im eigenen Garten oder unmittelbarer Nachbarschaft spielen, obwohl – fragt man die Kinder – ihnen Freiheit und Draußen-Sein wichtiger ist als Fernsehen, Computer, Internet oder Smartphone.
Draußen spielen, das heißt für die Kinder, sich „erwachsenenfreie“ Freiräume zu erobern; also nicht den umzäunten Spielplatz, auf dem Geräte vorgeben was zu tun ist und man genau nicht den Sprung über die fantasierte Abenteuer-Schlucht wagen kann – egal, ob in der Stadt oder auf dem Land. Und es bedeutet auch, mit sozialen Situationen zurecht zu kommen und im Kontakt mit anderen zu lernen, welche Verhaltensmuster es gibt. Für jetzt gleich, aber auch für später im Berufsleben.
Auch die ständige Ausweitung von „verordnetem“ nachmittäglichem Bildungsprogramm kritisiert die Studie. Da fehle zunehmend die frei gestaltbare Zeit. Und: „Kinder aus einfachen Verhältnissen sehen einsam fern, die besser gestellten werden zu gestressten Egomanen.“ Wie vor zweihundert Jahren würde ein neuer Bildungsadel herangezüchtet, völlig entgegengesetzt zum Gedanken der Chancengleichheit für alle.
Als Lösungsansatz empfehlen die Fachleute eine „spielenswerte“ Umgebung, in der sich Kinder wieder freier bewegen, Risiken eingehen und daraus lernen können. Und die Erwachsenen? Die könnten dann zum Wohle ihrer Kinder wieder lernen, sich nicht ständig und immerzu Sorgen zu machen. –
Zum Weiterlesen:
ZEIT online: Lasst die Kinder frei! – Wo ist das Abenteuerland?
ZEIT online/Susanne Wolkenhauer