Lernen mit allen Sinnen, ein Bericht von Andreas Koepcke
Die gelbe Villa wurde im März 2004 von der Hamburger Stiftung Jovita in Berlin ins Leben gerufen. Erklärtes Ziel der Einrichtung ist es, Persönlichkeitsentwicklung, Selbstbewusstsein und Sozialkompetenz junger Menschen zu fördern und so zu mehr Chancengerechtigkeit und gesellschaftlicher Vielfalt beizutragen.
Die hier geleistete Bildungsarbeit basiert auf einem stärkenorientierten, auf Prävention und Nachhaltigkeit ausgerichteten Ansatz. Dazu gehören das Entdecken von Kreativität, Talenten und Interessen, das Fördern von Sprachkenntnissen und Medienkompetenz, die Hilfestellung beim Übergang von Schule zu Beruf ebenso wie die Motivation zu einer ausgewogenen, gesunden Ernährung mit ausreichender Bewegung und einer insgesamt umweltbewussten, verantwortungsvollen Lebensweise.
Ein „Lernen mit allen Sinnen soll Bildung in Schule und Elternhaus sinnvoll ergänzen und vertiefen – ohne klassische Leistungsnormen, aber hochmotivierend. Kinder und Jugendliche sollen fit gemacht werden für die Zukunft und für ein lebenslanges Lernen, das nicht als Last empfunden wird. Durch die Begegnung von Kulturen werden außerdem das Toleranzdenken und die Idee gefördert, dass Vielfalt als Chance und nicht als Bedrohung empfunden wird.
2012 ist die gelbe Villa von der unabhängigen Prüfgesellschaft PHINEO gAG als Projekt mit besonderer Wirksamkeit gegen die Folgen von Kinderarmut ausgezeichnet worden. Das Haus erhielt damit als eine von bundesweit 23 Organisationen eine Qualitätsempfehlung für vorbildliches und wirkungsvolles gesellschaftliches Engagement für mehr Chancengerechtigkeit.
Angesprochen werden junge Menschen im Alter von sechs bis 16 Jahren – unabhängig vom kulturellen, religiösen und sozialen Hintergrund. Viele Projekte wenden sich speziell an bildungsferne und sozial schwächere Heranwachsende an, doch kommt es dem Team immer auf die „richtige Mischung an. Der Anteil an Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund liegt meist bei 50%.
Das bewusst kostenfreie Angebot des Hauses umfasst feste und offene Nachmittags- und Ferienangebote, themenbezogene Projektwochen mit Schulklassen (Grund- und Oberschulen), Sprachfördercamps, Schulabschluss-Vorbereitungen und Hausaufgabenhilfe sowie Sonderveranstaltungen an Abenden oder Wochenenden, die auch die Eltern und andere Erwachsene ansprechen. Alle Aktivitäten sind an den konkreten Lebenswelten der Zielgruppe orientiert und verfolgen die pädagogischen Prinzipien von Prävention, Empowerment, Gender Mainstreaming und Interkulturalität.
Die Projektarbeit erfolgt überwiegend in Form von Workshops in Kleingruppen unter professioneller, fachlicher Anleitung. Themen und Inhalte variieren dabei stark und beinhalten zum Beispiel Kunst- und Theaterprojekte, Literatur- und Musikworkshops, naturwissenschaftliches Forschen und Experimentieren, Kochkurse, Zirkus und Akrobatik oder Fußballcamps, bei denen nach dem Kicken noch Theater gespielt wird.
Zum Haus gehört ein eigenes Kinder- und Jugendrestaurant, das die jungen Gäste zum symbolischen Preis von einem Euro mit frisch zubereiteten, ausgewogenen Mahlzeiten versorgt.
Heranwachsende verschiedenster Herkunft und kultureller Prägung haben das Haus als Treffpunkt entdeckt und für sich „nutzbar gemacht, sowohl in Gruppen (über Schule oder Hort) wie individuell. Das Feedback von Lehrern/innen, Erziehern/innen, Eltern, Partnereinrichtungen, Förderern etc. ist entsprechend positiv, die Nachfrage nach allen Angebotsformen ist ungebrochen groß. Zur Wirksamkeit der Arbeit trägt ein enges Netzwerk aus Schulen, anderen Trägern und Vereinen sowie diversen Institutionen von der Verbraucherzentrale bis Literaturfestival bei.
Die wiederkehrenden Freizeit- und Ferienprogramme haben viele Kinder und Jugendlichen „von der Straße geholt, über zunächst niedrigschwellige Angebote gelingt es immer wieder, sie auch in die regelmäßige kreative Projektarbeit wie die Rapwerkstatt, ein Theaterprojekt oder einen Tanzworkshop einzubinden und so ihre Chancen gesellschaftlicher und kultureller Teilhabe zu verbessern. Über viele Projekte, Mitmachaktionen und Sonderveranstaltungen wurden sie nicht nur an Kunst und kreatives Denken, sondern auch an Literatur, klassische Musik und Naturwissenschaften herangeführt. Bei öffentlichen Projektpräsentationen und Auftritten schulten sie Eigenverantwortlichkeit und erfuhren Anerkennung. Exkursionen führten sie an zum Teil nie gesehene Orte wie Museen oder Bibliotheken (selbst wenn diese innerhalb der Stadtgrenzen liegen). Die Nutzer der gelben Villa lernen einen respektvollen Umgang, erfahren Anerkennung und Erfolgserlebnisse und damit Selbstvertrauen und Verantwortungsbewusstsein. Mittels der interkulturell ausgerichteten Arbeit konnten in einem stark multiethnischen Umfeld viele positive Zeichen für Verständigung und Toleranz gesetzt und der Integrationsgedanke in der täglichen Praxis verfolgt werden.
Hier einige konkrete Beispiele, wie Heranwachsende vom Angebot der gelben Villa profitieren konnten:
– Sprachförderangebote halfen Schüler/innen mit Zuwanderungshintergrund, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern, sicherer in Umgang und Ausdruck zu werden, was sich positiv auf ihre gesamte weitere Schullaufbahn auswirkt. Flankierend konnten sich Zehntklässler gezielt auf ihren Mittleren Schulabschluss vorbereiten.
– Heranwachsende, vor allem aus bildungsfernen Familien, konnten fürs Lesen und Texte schreiben begeistert werden. In Literatur- und Sprachworkshops der gelben Villa erhielten einige ihr erstes eigenes Buch.
– Durch berufsvorbereitende Programme lernten Jugendliche der Klassenstufen 7-10 verschiedene Berufsfelder, Ausbildungsbetriebe und Bewerbungsverfahren kennen. Sie wurden sich außerdem über ihre Stärken und Schwächen bewusst und haben nun bessere Chancen, erfolgreich ins Berufsleben zu starten.
– Interdisziplinär angelegte Kunst- und Theaterprojekte brachten Kinder auf die „große Bühne, zugleich haben sich intensiv mit künstlerischen Schaffensprozessen und zum Beispiel der Wirkung von Farben auseinandergesetzt.
– Grundschulkinder lernten kochen und erhielten Praxiswissen über ausgewogene Ernährung, den Umgang mit Lebensmitteln sowie die Notwendigkeit ausreichender Bewegung; ihre Eltern/Familienangehörigen wurden durch Mitmachaktionen einbezogen und zu einer möglichst gesunden Lebensweise ermutigt. Jugendliche analysierten die (ungesunden oder nutzlosen) Inhaltsstoffe teurer Trendgetränke und lernten im Gegenzug kostengünstige Alternativen „im Selbstmix kennen.
Weitere Informationen und Kontakt: www.die-gelbe-villa.de und www.facebook.com/diegelbevilla
Zurück in die Steinzeit
Reiner Kruspel berichtet über den Abenteuertag vom Kinderhaus St. Stefan
Schöner kann es um diese Jahreszeit nicht sein: 20 Grad, sonnig und die Vögel zwitschern aus den Bäumen; die Stimmung im Frühling 2012 war sehr gut und, um es vor weg zu nehmen: sie blieb auch so.
Um 10 Uhr ging es los. Die Abenteurergruppe bestand aus 7 Kindern und 3 Müttern und 3 Vätern, begleitet von Erlebnispädagogin Karin Wätzig und Seilgartentrainer Rainer Kruspel, beide Erzieher im Kinderhaus St. Stefan. Nach einer kurzen Begrüßung vollführten wir gemeinsam einen Zeitsprung. Die folgenden Aufgaben der Gruppe waren ganz dem Motto Steinzeit gewidmet. So mussten die Teilnehmer z.B. mit einem „laufenden A“, dem Vorläufer des heutigen Automobils, eine Strecke zurücklegen. Des Weiteren wurde ein Dinosaurier-Ei mittels wenigen Materialien so flugsicher verpackt, dass es den freien Fall von 3 Metern überleben musste. Hierbei traten die Kinder mit ihren Ideen gegen die Konstruktion der Erwachsenen an. Beide Eier überlebten, sogar später aus 9 Metern Höhe!
Nach einem gemütlichen Mittagessen im Freien und einer Sicherheitseinweisung ging es an die Kletterwand. Zunächst kletterten die Kinder gesichert durch die Eltern die Wand empor, denn es galt einer anstehenden Sintflut zu entkommen. Später bestiegen die Erwachsenen, gesichert durch die Trainer oder gegenseitig, die Wand. Einige gingen dabei an ihre Grenzen und waren überrascht, wie weit sie gekommen sind trotz Höhenangst. Später konnten sich die Teilnehmer nach Wunsch von einer Plattform aus ca. 7 Metern Höhe selbst abseilen.
Dann war Kaffee-/Kuchenpause. Im Anschluss galt es, für ein krankes Mammut Heilkräuter zu sammeln. Hierzu war es notwendig, über einen schmalen Balken und Hängeschlaufen eine Plattform zu erreichen, auf der die Kräuter „gepflückt“ werden mussten. Es wurden 4 Kräuter gesammelt, und das Mammut überlebte.
Doch das war noch nicht alles. Schließlich durfte jeder den „Stamm der Weisen“ berühren. Dazu war es notwendig, einen schmalen Pfad aus zwei ca. 12m langen Balken zu begehen, um eine Plattform in ca. 9 Metern Höhe zu erreichen. Dort konnte der Stamm berührt werden. Der Rückweg war etwas beschwerlicher, ging er doch über freihängende Hölzer zurück zum rettenden festen Boden. Der Tag ging sehr schnell vorbei. Beim abschließenden Tagesrückblick um 17.30 Uhr wurde klar, dass alle sich eine Fortsetzung der Erlebnisse sehr gut vorstellen können.
Ein ganz herzlicher Dank sei an dieser Stelle an die Stiftung St. Elisabeth ausgesprochen, welche durch die Unterstützung einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hat, dass solch ein Tag stattfinden kann und für alle Teilnehmer finanzierbar ist.