Interview

Hamad Nasser, Leiter des Nachbarschaftszentrums Steinmetzstrasse, im Gespräch mit Melanie Stowasser (Redaktion)

Herr Nasser, Sie sind Pädagoge und leiten ein Mehrgenerationenhaus des PFH in einem multikulturellen Kiez in Berlin-Schöneberg. Was ist das Besondere an ihrer Arbeit?
Der Fokus unserer Arbeit lag von Anfang an auf Eltern und ihren Kindern, meistens im Grundschulalter. Diesen Schwerpunkt konnten wir noch besser umsetzen mit der Vergrößerung unserer Räumlichkeiten 2008 um fast 200 Quadratmeter. Dieser Raum war als offener Bereich für Eltern-Kind-Angebote konzipiert. Der pädagogische Ansatz wird in diesem „Open Space“ entwickelt, wir machen Ankündigungen, kommunizieren auf Augenhöhe und fragen Bedürfnisse unserer Bevölkerungsgruppen ab. Wir sehen uns als außerschulische Bildungseinrichtung und wollen die Bewohner unseres Stadtteils aktivieren und begeistern.

Wie ist die kulturelle Zusammensetzung in Ihrem Stadtteil?
In unserem Steinmetzkiez (Nachbarschaftsviertel benannt nach Strassennamen) ist eine junge Bevölkerung im Alter von 25 bis 40 stark vertreten, wir haben viele kinderreiche Familien. Es gibt drei große Bevölkerungsgruppen: an erster Stelle steht die türkischstämmige Bevölkerung, an zweiter Stelle die russischsprachige Bevölkerung. Das sind die älteren Menschen, die wir leider nicht so erreicht haben wie die Jüngeren. An dritter Stelle steht die arabischstämmige Bevölkerungsgruppe, die im Allgemeinen gut Deutsch spricht. Sie ist in unserer Einrichtung am häufigsten vertreten.

Wie sind Sie mit dem pädagogischen Ansatz von Early Excellence in Kontakt gekommen?
Unsere Einrichtung entstand 2004, um präventiv für Menschen im Stadtteil bei Krisen und Trennungen zu arbeiten. Wir hatten den Anspruch an unsere Einrichtung, exzellente Angebote für Kinder und ihre Eltern umzusetzen. Wenn Eltern Wünsche äußern, werden in Zusammenarbeit mit uns Angebote konzipiert. Die Eltern werden immer miteinbezogen. Early Excellence ist in der Steinmetzstrasse seit 2005 präsent. Ich habe diesen pädagogischen Ansatz zusammen mit Jutta Burdorf-Schulz hier etabliert.  2008 hat sich das Pestalozzi-Fröbel-Haus eingebracht, als die städtische Förderung auslief. Dadurch hat sich auch die Nähe zu Early Excellence manifestiert. Wir wollten von Anfang an die Eltern stärken, damit sie auf Augenhöhe mit ihren Kindern kommunizieren können.

Welche Angebote gibt es konkret in ihrer Einrichtung?
Wir hatten von Anfang an eine Vätergruppe, dafür stehen zwei Räume zur Verfügung. Ein Raum ist für die Väter, sie erhalten Input z.B. zu pädagogischen Themen wie allgemeinen Erziehungsfragen und zur Konfliktbewältigung. Wir versuchen zu vermitteln, dass Kinder nur eine Orientierung in der Gesellschaft haben können, wenn der Vater sie auch hat. Diese Orientierung beginnt mental mit sich selber.
Im zweiten Raum werden zur gleichen Zeit die Kinder gefördert, meistens im künstlerischen Bereich. Es wird unter Anleitung gemalt, gebastelt und gespielt. Die Workshopleiterinnen sind oft Künstlerinnen, die der Meinung sind, dass sich Kinder im eigenen Raum ohne Störung von Erwachsenen entfalten sollten.

Die Väter scheinen eine besondere Rolle in Ihrer Arbeit zu spielen?
Die Vätergruppe entstand 2005 als eine der ersten in ganz Berlin. Wir kümmern uns um „Bewegte Väter“ und fördern sie in den oben genannten Bereichen. „Bewegte Väter“ sind Väter, die sich für die Erziehung ihrer Kinder interessieren und auch Elternzeit beantragen. Sie werden in der Gesellschaft oft schief angeschaut. Wir geben ihnen die Möglichkeit, sich auszutauschen und zu vernetzen und stärken sie damit.

Was tun Sie für die Frauen in Ihrem Kiez?
Es gibt eine Nähgruppe für Frauen mit gleichzeitiger Kinderbetreuung, außerdem eine Gruppe für Atemgymnastik und jeden Donnerstag ein Frauenfrühstück. Wir bringen Frauen zusammen, um mit ihnen pädagogische Themen anzusprechen z.B. der positive Blick auf die Kinder, und lenken den Fokus auf die Bedürfnisse und Stärken des Kindes. Zudem sprechen wir Frauen an, dass wir gerne Kontakt mit ihren Männern haben möchten. Es gibt in den Familien oft Konfliktthemen, z.B. wenn Eltern Erwartungen an ihre Kinder haben, die nicht angemessen und umsetzbar sind. Hier versuchen wir neben der Schule Hilfestellung zu leisten.

Gibt es auch gemeinsame Eltern-Kind-Angebote in ihrem Familienzentrum?
Es gibt einen Kurs zur Förderung der Mehrsprachigkeit. Dies ist ein Angebot, wo gemeinsam musiziert und das arabische Alphabet gelernt wird. Arabisch ist hier eine Brücke, die Eltern und Kinder zusammenbringen soll. Dieser Kurs hat nur indirekt mit Deutschunterricht zu tun. Er soll vielmehr dem Verlust der eigenen Kultur und Identität der arabischen Bevölkerungsgruppe entgegen wirken. Zudem haben wir z.B. ein Modul „soziale Kompetenzen“, bei dem es um Lernmethoden, Konzentration und Förderung der deutschen Sprache geht. Referenten sind aus unserem Netzwerk im Stadtteil: Erzieher, Sozialarbeiterinnen und Lehrerinnen.

Wie würden Sie Ihr Engagement für die Menschen in Ihrem Stadtteil in einem Satz zusammenfassen?
„Eltern stärken“ ist für mich das wichtigste Thema. Es ist essentiell für unsere Arbeit in der Steinmetzstrasse. Daher sehen wir uns als einen wichtigen Multiplikator für Early Excellence.


Bildungsquiz
Bildungsquiz im Mehrgenerationenhaus

Nachbarschaftszentrum
Nachbarschaftszentrum Steinmetzstrasse

Kindergruppe
Kindergruppe

Gesangworkshop
Gesangworkshop