„Zusammen Aufwachsen“-Gruppe in türkischer Sprache im Berliner Familienzentrum Mehringdamm
Vorgeschichte:
Im Rahmen des Projekts „Elternchance ist Kinderchance“ hat das Familienzentrum Mehringdamm von 2012 bis 2014 die Gruppe „Zusammen Aufwachsen“ nach dem Konzept der „Growing Together“-Gruppen aus Corby mit Müttern mit türkischem Migrationshintergrund und ihren Kindern in der AWO-Kita Sonnenschein im Ortsteil Kreuzberg durchgeführt.
Zarife Yildiz leitete die Gruppe gemeinsam mit einer Stadtteilmutter. Die Mütter wurden beim Elternfrühstück, das die Stadtteilmütter einmal in der Woche in der Kita durchführen, angesprochen. Außerdem nahm Zarife Yildiz mit den Müttern am Morgen beim Bringen der Kinder Kontakt auf und lud sie zur Gruppe ein. Die Gruppe fand dann jeweils für ein halbes Jahr mit Müttern und deren jüngsten Kindern im Mehrzweckraum der Kita statt.
Wir machten in dieser ersten Erprobungsphase die Erfahrung, dass die Mütter sehr interessiert am Lernen ihrer Kinder waren und ein größeres Verständnis für die Verhaltensmuster im Spiel, für Anzeichen von Wohlbefinden und Engagiertheit bei ihren Kindern entwickelt haben. Die Kinder, die an der Gruppe teilnahmen, gewöhnten sich im Anschluss auch schneller in der Kita ein.
Von dieser ersten positiven Erfahrung mit dem Gruppenangebot für türkischstämmige Mütter in der Kita ermutigt, haben wir für 2015 bei der Heinz und Heide Dürr Stiftung einen Förderantrag für die weitere Durchführung der „Zusammen Aufwachsen“-Gruppe für Mütter und Kinder türkischer Herkunft im Familienzentrum Mehringdamm gestellt.
Erfahrungen im Familienzentrum Mehringdamm:
Die Finanzierung der Heinz und Heide Dürr Stiftung ermöglichte es uns, die Gruppe „Zusammen Aufwachsen“ in deutscher und türkischer Sprache von Februar bis Juli und nun wieder ab September 2015 im Bewegungsraum des Familienzentrums unter Leitung von Zarife Yildiz einmal in der Woche anzubieten. Sie wird von einer Stadtteilmutter begleitet.
Inhaltlich richten sie sich nach dem von Christina Ahle, Gertrud Möller-Frommann und Barbara Kühnel zu diesem Zweck entwickelten Gruppenkonzept.
Die Gruppe besteht aus acht Müttern und ihren Kindern, die zu Beginn der Gruppe zwischen fünfeinhalb und zehn Monate alt sind. Zwei Teilnehmerinnen sind noch nicht lange in Deutschland und können sich noch nicht gut in der deutschen Sprache ausdrücken. Die anderen Mütter sind in Deutschland aufgewachsen, wollen aber gerne in dieser Gruppe mit ihrem Kind in ihrer Muttersprache sprechen. Sie können ihre Gefühle und Empfindungen oft besser in türkischer Sprache ausdrücken. Deshalb ist die Gruppensprache Türkisch. Die Lieder wurden in deutscher Sprache gesungen.
Bei jedem Termin wählt die Gruppenleiterin anregende Gegenstände aus unterschiedlichem Material und in verschiedenen Formen und Größen, Bewegungselemente, Bücher, kleine Klanginstrumente usw. aus und gestaltet den Raum immer wieder anders, wobei einige Grundelemente konstant bleiben.
Der Ablauf der Gruppe ist bei jedem Termin gleich: In der Anfangsrunde werden die Erfahrungen der vergangenen Woche ausgetauscht, es wird ein Begrüßungslied gesungen und anschließend beobachten die Eltern ihre Kinder beim Spiel. In dieser Zeit sprechen sie nicht miteinander und greifen nur dann ein, wenn ein Kind weint, eine Situation nicht alleine bewältigen kann oder sich an die Eltern von sich aus wendet. Danach tauschen sich die Eltern über die Beobachtungen aus. Ausgehend von den Beobachtungen der Eltern thematisieren die Gruppenleiterinnen die Schlüsselbegriffe Schemas, Engagiertheit und Wohlbefinden. Zwischendurch wird immer wieder ein Lied gesungen. In einer Austauschrunde über Fragen der Eltern zur Entwicklung des Kindes, Alltagsgestaltung usw. geben sich die Eltern gegenseitig Hilfe und Anregungen. Sie fühlen sich so in ihrer Kompetenz als Eltern gestärkt.
Die Mütter erzählten bei der Auswertung der Gruppe vor der Sommerpause, dass ihnen vor allem die Beobachtung der Kinder beim Spiel sehr gut gefallen hat. Einige Mütter beobachteten ihre Kinder auch zu Hause und erzählten dann beim nächsten Treffen von ihren Wahrnehmungen. Zarife Yildiz stellt immer eine Frage in der Anfangsrunde, die sich auf die Erfahrungen der Eltern mit dem Kind zu Hause bezieht. Eine Mutter erzählte zum Beispiel, dass ihr Kind immer wieder die Schubladen zu Hause ausräumt und dann die Sachen auch wieder hineintut. Sie fand das sehr aufschlussreich und konnte sich dafür begeistern.
Die pädagogischen Strategien lassen die Leiterinnen im Gruppengespräch einfließen, z.B. bei Fragen der Eltern, wie sie ihr Kind in seiner Entwicklung fördern können. Bei vielen Eltern ist die Meinung tief verankert, dass sie ihrem Kind etwas anbieten müssen, damit es lernt. Hier greift Frau Yildiz immer wieder die pädagogischen Strategien oder die Wahrnehmung von Schemas auf. Die Eltern werden sensibilisiert, genau hinzuschauen, wofür sich ihr Kind interessiert und es dabei auch zu begleiten. Sie stellen dann ihrem Kind oft ähnliche Dinge zur Verfügung und nehmen auch zu Hause wahr, wie viele Alltagsgegenstände für ihr Kind zum Lernen und Erfahrungen-Machen geeignet sind.
Durch das Leiten der Gruppe zu zweit ist der Austausch über die Bedürfnisse der Kinder und Eltern in der Vor- und Nachbereitung der Gruppe, die Dokumentation der Beobachtungen und Führung von Eltern-Ordnern besser möglich. Für jedes Kind wird eine Mappe angelegt, in der Fotos aus vertieften Spielsituationen eingeklebt werden. Wenn Merkmale von Wohlbefinden und Engagiertheit oder einzelne Schemas darauf zu sehen sind, notiert die Gruppenleiterin das Merkmal neben dem Foto.
Die Mütter haben durch das Vorbild der Gruppenleiterinnen und ihre Bemerkungen beim Begleiten der Spielsituationen und bei der Auswertung der Beobachtungen die Grundhaltungen des Early-Excellence-Ansatzes und die pädagogischen Strategien kennengelernt und dadurch mehr Sicherheit und Sensibilität für den Umgang mit ihrem Kind erlangt.
Mit der „Zusammen Aufwachsen“-Gruppe in türkischer Sprache erreichen und motivieren wir Mütter türkischer Herkunft mit kleinen Kindern, die an einer anderen Eltern-Kind-Gruppe eher nicht teilnehmen würden. Insofern ist dieses Angebot eine gute Ergänzung zu unseren Angeboten der Familienbildung, -beratung und -begegnung.
Gertrud Möller-Frommann
Leiterin Familienzentrum Mehringdamm
Pestalozzi-Fröbel-Haus