Das PFH besucht London

„Sure Start“-Children’s Centres in London:Integrative Einrichtungen für Kinder und ihre Familien

 

Das Pestalozzi-Fröbel-Haus baut seit 2001 beispielhaft und in enger Kooperation mit einer englischen Einrichtung Early-Excellence-Centres in Deutschland auf. In diesem Zusammenhang beschäftigen wir uns immer wieder mit der Frage: Wie entwickelt sich Early Excellence in England weiter, welche Erfahrungen und Neuausrichtungen sind zu beobachten? Im Juni 2008 unternahmen nun 15 PFH-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an zentralen Stellen im Hause die Arbeit mit Early Excellence vorantreiben, eine Studienreise nach London. Wir besuchten zwölf Children’s Centres – allesamt Einrichtungen, die für die Arbeit mit Early Excellence wichtige Impulse geben. Im Rahmen des britischen „Sure Start-Programms führen diese Zentren eine höchst professionelle, systematische und engagierte Kinder- und Familienarbeit durch, die insbesondere sozial benachteiligte Kinder und Famlien erreichen soll.

Children’s Centres
Wer sich für Early Excellence interessiert, sollte ab und an einen Blick auf unsere britischen Nachbarn werfen und sich von den dortigen Kolleginnen und Kollegen inspirieren lassen. Schließlich wurde der Early-Excellence-Ansatz in England entwickelt und wird dort seit zwei Jahrzehnten sehr erfolgreich und mit größtmöglicher finanzieller sowie politischer Unterstützung vorangetrieben. Berichtete der letzte Newsletter von einer Studienreise des Early-Excellence-Vereins ins Pen Green Centre in Corby  – so möchten wir in der heutigen Ausgabe einige Children’s Centres in London vorstellen.

Children’s Centres – eine Weiterentwicklung der Early-Excellence-Centres – entstehen im Rahmen des groß angelegten „Sure Start-Regierungsprogramms, das Kindern von Geburt an einen optimalen Start ins Leben ermöglichen möchte. Mit diesem Ziel werden integrierte Einrichtungen geschaffen, die Kinderbetreuung, Gesundheitsvorsorge, Familienarbeit und arbeitsmarktbezogene Angebote verbinden. Heute gibt es in England ungefähr 2.500 Sure Start Children’s Centres, bis zum Jahr 2010 sollen es 3.500 sein.

15 PFH-MitarbeiterInnen in London
Innerhalb einer knappen Woche besuchten wir zwölf Children’s Centres in verschiedenen Stadtvierteln von London – meist befanden sich die Einrichtungen in Gegenden mit einer sehr hohen Armuts- und Arbeitslosenrate. Außerdem trafen wir uns mit der Bildungsforscherin Dr. Brenda Taggart von der University of London, die mit Unterstützung des britischen Bildungsministeriums die bislang größte und umfassendste Studie zur Wirksamkeit der institutionellen Vorschulbildung koordiniert (für die „EPPSE-Langzeitstudie wurden über 3.000 Kinder befragt. Weitere Infos im Netz…)

In einem hervorragenden Vortrag stellte uns Brenda Taggart die bisherigen Ergebnisse und den aktuellen Stand ihrer Studie vor, die belegt: Vorschule kann soziale Benachteiligung zwar nicht aufheben, aber sie kann sie abschwächen und den Schulbeginn der Kinder verbessern.

Internationaler Austausch
Wir waren beeindruckt von der Professionalität und der Freundlichkeit, die uns überall entgegengebracht wurde. Die Sure Start Children’s Centres empfangen regelmäßig Besuchergruppen aus aller Welt. Diese werden – meist von der Leiterin oder dem Leiter – durch die jeweilige Einrichtung geführt, es folgt ein Powerpoint-Vortrag, eine Diskussionsrunde und eine großzügige Bewirtung mit Obst und Snacks. Für keinen der jeweils etwa zwei Stunden langen Besuche mussten wir bezahlen. Das „Sure Start-Programm stattet seine Einrichtungen mit ausreichend Geld für eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit aus, zu der auch gehört, dass sich fast jede Einrichtung mit einem Flyer oder einer kleinen Broschüre präsentiert.

Systematische Familienarbeit
Liefen unsere Besuche in den Children’s Centres von den äußeren Rahmenbedingungen her (Führung durch die Einrichtung, Vortrag) alle ähnlich ab, so unterschieden sich die einzelnen Children’s Centres doch sehr voneinander. Die Palette reichte von kreativen, künstlerisch gestalteten und hoch engagiert geführten Einrichtungen bis hin zu wenig vorbildlichen und überladenen Räumlichkeiten. Beeindruckend war immer wieder, wie systematisch die MitarbeiterInnen der Children’s Centres auf die Familien der Umgebung zugehen. Ein Erstkontakt erfolgt bereits vor der Geburt über die Hebammen, die mit den Children’s Centres kooperieren und hier Beratung und Betreuung anbieten. Alle Familien werden angeschrieben und zu Hause besucht, sofern die Eltern dies wünschen. Damit verbunden ist das Angebot, Mitglied in einem Zentrum zu werden und damit regelmäßig über alle Angebote informiert zu werden.

Im Folgenden möchten wir beispielhaft drei Einrichtungen vorstellen, die wir für unsere eigene Weiterentwicklung besonders anregend fanden:

Das Thomas Coram Centre
Was das Pen Green Centre für Corby ist, das bedeutet das Thomas Coram Children’s Centre für London: Es ist DAS Aushängeschild des „Sure Start-Programms. Das Thomas Coram Centre befindet sich südlich der Bahnstation Kings Cross im Londoner Stadtteil Camden und bietet 108 Betreuungsplätze für Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und fünf Jahren sowie nachschulische Betreuung für Kinder von 5-11 Jahren. Es gibt zahlreiche Projekte z.B. im Bereich Musik, Kunst, Sport, Kurse in der Muttersprache der Kinder, einen Computerclub, Musiktherapie und Babymassage. Eltern können mit ihren Kindern jeden Tag zum Spielen kommen, im Haus sitzt eine Gesundheitsvorsorge und -beratung, man kann sich vor Ort bei der Arbeitssuche, bei Erziehungs- oder Familienproblemen helfen lassen und zahlreiche weitere Angebote in Anspruch nehmen. Durch die enge Kooperation des Zentrums mit den Sozialbehörden, dem Arbeitsamt und dem Gesundheitsdienst werden den Eltern lange Wege erspart und es fällt ihnen leichter, Hilfe anzufragen. Auf diesem Wege gelingt es den Mitarbeitern, Kontakt zu Familien herzustellen, die ansonsten durch soziale Angebote nicht erreicht werden.

Das Archway Children’s Centres
Das Archway Early Years Centre liegt in dem Stadtbezirk Islington nördlich von London-City und wurde im Oktober 2006 nach einem Umbau neu eröffnet. Mit großzügigen architektonischen Lösungen wurde die bereits vorhandene Kita mit dem neu geschaffenen Familienzentrum verbunden. Das Ergebnis sind helle, freundliche, ästhetische Räumlichkeiten, in denen man sich sofort wohl fühlt. Der Kindergarten hat 76 Voll- und Teilzeitplätze für Kinder ab sechs Monaten bis fünf Jahre. Ziel ist, jedes Kind individuell zu fördern und seine Umgebung so zu gestalten, dass sie interessant und herausfordernd ist. Wie alle „Sure Start-Centres arbeitet der Kindergarten nach dem „Early Years Foundation Stage, dem Curriculum für den Kindergarten. Hier wird genau aufgelistet, wie das Umfeld für welches Alter in Bezug auf sieben Lernbereiche gestaltet werden soll. Deutlich ist zu sehen, dass Lernen und Leistungsorientierung einen hohen Stellenwert hat im Archway Children’s Centre.

Kate Greenaway Nursery School and Children’s Centre
Das Kate Greenaway Centre befindet sich im Londoner Bezirk Islington ganz in der Nähe des Bahnhofes Kings Cross. In der Einrichtung werden 51 Kinder im Alter von 0-5 Jahren betreut. Es handelt sich also um ein kleines Children’s Centre, das aber mit viel Engagement geführt wird. Beeindruckend ist, wie erfolgreich der Leiter Julian Grenier Eltern und Sponsoren motiviert, an der Gestaltung des Zentrums mitzuwirken. Durch Freiwilligenarbeit und mit Hilfe der Gelder von Unternehmen größtenteils aus der Umgebung ist unter anderem ein großer, schöner Garten entstanden, den die Kinder begeistert nutzen. Besonderer Wert wird auf den Umgang mit Pflanzen gelegt. Die Kinder ziehen in großen Kästen und kleinen Töpfen selbst Gemüse, das sie später ernten und entweder gemeinsam essen oder nach Hause mitnehmen dürfen. Außerdem gibt es in dem Children’s Centre zahlreiche Holzlaufräder, mit denen die Kinder über das ideenreich gestaltete Außengelände fahren können.

Resümee
Im Grundsatz übernimmt ein Children`s Centre wesentliche Aufgaben wie bei uns qua Gesetz ein Jugendamt. Sein Auftrag ist jedoch einerseits begrenzter, indem es sich nur an Familien mit Kindern unter fünf Jahren richtet; andererseits weiter, insofern es gesundheits- und arbeitsmarktbezogene Angebote unter seinem Dach integriert. Letzteres erscheint ausgesprochen plausibel und notwendig, wenn man als Ursache der Kinderarmut die Arbeitslosigkeit der Eltern erkennt und diese zu stärken sucht, indem man ihren Weg in die Arbeit unterstützt. Wir halten es für unbedingt notwendig, dass auch die deutschen Kindertagesstätten sich nicht nur als pure Betreuungseinrichtungen für einige Stunden am Tag verstehen, sondern sich weiterentwickeln zu integrativen Einrichtungen für Kinder und ihre Familien. Die englischen Children’s Centres können auf diesem Weg ein Vorbild sein.

Text: Pestalozzi-Fröbel-Haus

NULL
NULL



Archway Children’s Centre


Kate Greenaway Nursery School and Children’s Centre

Thomas Coram Centre