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Die Welt entdecken

Kognitives Denken entwickelt sich durch die Anwendung und die Weiterentwicklung von Verhaltensmustern (schemas)

Ein Beitrag von Jutta Burdorf-Schulz 

Die Schema-Theorie wird als Beobachtungsinstrument angewendet, um das Spielverhalten und die kognitive Entwicklung von Kindern besser zu verstehen und eine individuellere Förderung anbieten zu können. Sie geht zurück auf Forschungen von J. Piaget, der Schemas als ‚strukturierten Ansatz der geistigen Entwicklung‘ oder auch ‚als kognitive Strukturen‘ bezeichnete. (Bringuier/Piaget, 1996).

Forschungen darüber wurden insbesondere von Chris Athey und Tina Bruce, die mit Familien in London in den70ern gearbeitet haben, durchgeführt und praktisch veranschaulicht.( Athey, 1990, Bruce 1997). Schemas können nicht isoliert, sondern sollten immer im Kontext betrachtet werden, da sie immer mit Gefühlen, Ideen und Beziehungen zu Dingen und Menschen verbunden sind. Es ist deshalb notwendig diese Aspekte ebenfalls durch geeignete Beobachtungsinstrumente (z.B. Leuvener Entwicklungsskala, Leavers, 1997) zu erfassen und zu berücksichtigen. ‚ Relationships, feelings and interactions between adults and children, as well as the material provisions offered, both contribute effectively to the child’s learning.‘ (Bruce 1997, S. 84)

Definitionen:
Schemas sind „Verhaltensmuster, die Kinder zeigen, wenn sie die Welt entdecken und versuchen herauszufinden wie Dinge funktionieren und welche Wirkung sie damit erzielen können. Diese sich wiederholenden Aktionen führen zu Kategorisierungen, logische Klassifikationen und Kombinationen dieser Muster und somit zu späteren Handlungskonzepten der Kinder.

Kinder können dieselbe Handlung an einer Vielzahl von verschiedenen Objekten ausprobieren oder eine große Vielfalt von Handlungen an einem Objekt erproben. Das, was mit einem Objekt unter verschiedenen Umständen passiert, hilft Kindern Strategien aufzubauen, um auf neue Situationen mit Hilfe der gleichen Aktionen reagieren zu können. Schemas haben ihren Ursprung in biologisch gegebenen Verhaltensmöglichkeiten und dem Antrieb diese auszuprobieren und einzusetzen. Sie werden beeinflusst durch soziale und kulturelle Einflüsse und werden durch und in diesem ‚Zusammenspiel‘ immer komplexer und koordinierter, so dass sie mit zunehmenden Alter nicht mehr als schemas wahrgenommen werden.

Die meisten Schemas treten in Anhäufungen/Kombinationen (clusters) auf und Kinder erzielen durch dieses Zusammenspiel die angestrebten Handlungen/Effekte. Manchmal ist ein Kind mit einem neuerkannten Muster ganz besonders beschäftigt und probiert es in den unterschiedlichen Zusammenhängen immer wieder aus. Es wird dann zu dem momentan ‚dominierenden‘ schema, das ganz besonders unterstützt werden sollte, um dem Kind die Möglichkeit zu geben, alle Varianten zu erforschen und weiterzuentwickeln.

Bedeutung:
Kinder entwickeln durch den Gebrauch von Schemas ihre eigenen Theorien darüber, wie Dinge funktionieren. Sie testen ihre Theorien oder Ideen immer wieder. Manchmal entdecken sie dabei Ausnahmen der Regeln die sie mit ihren bisherigen ‚Theorien‘ aufgestellt haben, binden diese neuen Erfahrungen ein und entwickeln sie weiter.

Chris Athey sah in der Schema-Erforschung insbesondere die Chance, kindliches Verhalten Eltern näher zu bringen. Sie führte die Idee des Entdeckens von Verhaltensmustern bei Kindern in die Zusammenarbeit mit den Eltern ein. Sie machte die Erfahrung, dass Eltern zunehmend die Handlungen ihrer Kinder besser verstanden und sehr gespannt auf die Muster im Spiel ihrer Kinder waren. „…alle Erwachsenen sahen und hörten mit immer zunehmendem Interesse zu, was ihre Kinder gesagt und getan haben. ( Athey, 1990, S. 66)

Häufig auftretende Schemas (aus Arnold, Cath (2003):
Trajectories (Linien)
Linien, die sich bewegen, wie z.B. beim auf und ab Hüpfen,
oder die statisch sind, wie z. B. bei einem Bauwerk oder gemalter Linien.
Wir unterscheiden unterschiedliche Linien Schemas:
1. vertikal (vertical trajectory)
2. horizontal (horizontal Trajectory)
3. schräg (oblique trajectory)
4. seitliche Linien (lateral trajectory)
5. im Bogen (arc trajectory)
6. Gitternetze (Grid)
7. Sich kreuzende bzw. sich schneidende Linien (intersections)
8. Von einem Kern ausgehenden strahlenförmige Linien (core and radial)

9. Kleckse oder Punkte (dab)

10./11. Anhäufen und Zerstreuen (heaping and scattering)
Dinge auf einen Haufen tun, sie ausbreiten, verteilen oder im Raum zerstreuen, sind Schemas die in Kombination oder auch einzeln zu beobachten sind. Kinder, die Dinge anhäufen und zerstreuen, haben häufig Interesse an vielen kleinen Dingen oder am Aufkehren mit Schaufel und Feger oder Laub sammeln.
12. Transport/ Tragen (transporting)
Dinge tragen oder selbst von einem Ort zum anderen getragen werden – ein Puppen- oder Einkaufswagen kann das Lieblingsspielzeug dieser Kinder sein.
13. Einwickeln (envelopment)
Sich selbst oder Dinge einwickeln oder einen Platz abdecken – Handtücher, Schals oder Pappkartons können beliebtes Spielmaterial sein.
14. Einzäunung (enclosure)
Sich selbst, Spielzeuge oder einen Ort einzäunen bzw. einschließen – während des Entdeckens dieses Musters sind Lego, Bahngleise, Bausteine oder Kissen, alles was man zu einer Umgrenzung einsetzen kann, besonders interessant. Oft mögen Kinder es, Höhlen um sich zu bauen oder Ställe und Gehege für Tiere zu konstruieren.
15. Rotation (rotation)
Herumdrehen, sich selbst oder Dinge rollen oder drehen – während des Entdeckens dieses Musters wird gern mit Ringen, Globusen, Nudelhölzern, Walzen und Rädern gespielt.
16. Verbindung (connection)
Interesse sich selbst mit Dingen zu verbinden oder Objekte untereinander – Bauspielzeuge, (Wäsche-) Klammern, Heftklammern, Schnüre, Klebeband, Verschlüsse und Ketten helfen Kindern dieses Muster zu entdecken. Sie lieben es auch Personen zu verschnüren und zu fesseln.
17. Durch einen begrenzten Bereich gehen (going through a boundary)
Sich selbst oder Objekte durch etwas hindurchgehen und auf der anderen Seite wieder herauskommen lassen. Tunnel, Knoblauchpressen, Briefkästen und Faxmaschinen könnten Kinder bei der Entdeckung dieses Musters faszinieren.
18. Innen und Außen (inside/ outside)
Kinder mit diesem Schema lieben das rein und raus gehen, das Spiel vor und hinter dem Vorhang/Gardine usw.
19. Oben sein (on top)
Selbst ganz oben sein oder Sachen ganz oben hinstellen – unterschiedlichste Klettermöglichkeiten oder Regale, können Kindern helfen, dieses Muster weiter zu erforschen.
20. Schichten (layering)
Materialien in Schichten platzieren, dabei wird das envelopment Schema mit dem on-top-schema verbunden.
21. Behälter packen / füllen (containment)
Sich selbst, Sachen oder Materialien in verschiedene Behälter packen – eine Auswahl an Flaschen, Taschen und Kartons hilft diesen Kindern dieses Muster zu entdecken.
22. Einfüllen / Einsortieren (Infillung)
Das Einsortieren z.B. der Bausteine in Regale oder von Spielen entspricht diesem Muster.

Literatur:
Arnold, Cath (2003) Observing Harry: Child Development 0-5. Open University Press: Maidenhead
Athey, Chris (1990) Extending Thought in Young Children: A Parent-Teacher Partnership. Paul Chapmann Publishing: London
Bruce, Tina (1997 2nd ed) Early Childhood Education. Hodder & Stoughton: London
Laevers, Ferre (1997) Die Leuvener Engagiertheitsskala für Kinder LES-K. Centre for Experimental Education: Leuven
Piaget, Jean, Bringuier, J.-C., (1996) Im Algemeinen werde ich falsch verstanden. Europäische Verlagsgesellschaft: Hamburg
Whalley, Margy (1997) Working with parents. Hodder & Stoughton: London